News aus den Finanzmärkten

Fed beginnt mit dem Bilanzsummenabbau

Dr. Felix Brill · Bernd Hartmann · Dr. Thomas Gitzel · Harald Brandl · Bernhard Allgäuer · Jérôme Mäser
Lesedauer: 6 Min
Die US-Notenbank Fed wird an ihrer Sitzung am Mittwoch (4. Mai) den Startschuss zum Verkauf von Staats- und Hypothekenanleihen geben. Wir zeigen auf, welche Folgen das für einzelne Anlageklassen haben wird.

Der Schritt der Notenbank sollte die Finanzmärkte nicht mehr überraschen. Immerhin hat die Fed frühzeitig den Pfad vorgegeben und bereits mit dem Protokoll ihrer März-Sitzung Details zum Bilanzsummenabbau veröffentlicht.

Warum die Fed nun schon so kurz nach der ersten Leitzinserhöhung beginnt, ihre Bilanzsumme zu reduzieren, wie sie vorgeht und welche Auswirkungen das auf die Zinsentwicklung, die Aktienmärkte und den US-Dollar haben könnte, darauf gehen wir im Folgenden ein.

Warum legt die Fed den Schalter um?

Mit dem Abbau von Staats- und Hypothekenanleihen wird den Märkten Liquidität entzogen, wodurch die Wirkung einer Zinserhöhung verstärkt und die Inflation bekämpft werden soll. Das Protokoll des Offenmarktausschusses für die Dezember-Sitzung lässt darauf schliessen, dass die Bilanzreduktion bis zu einem gewissen Grad als Substitut für Zinsanhebungen angesehen wird. Der geldpolitische Normalisierungskurs umfasse Zinsanhebungen und die Bilanzsummenreduktion, hiess es damals. Deshalb dürfte an den Geldmärkten ein im Vergleich zu den gegenwärtig sehr hohen Inflationsraten lediglich «moderater» Zinsanhebungskurs angenommen werden. Die Terminmärkte für kurzfristige Geldausleihungen signalisieren ein Hoch von 3 % für den aktuellen Straffungszyklus.

Wie plant die Fed vorzugehen?

Die Fed hat bereits mit dem Protokoll ihrer März-Zinssitzung die wesentlichen Details bekannt gegeben. Der Bestand an Staats- und Hypothekenanleihen soll monatlich um 60 bzw. 35 Mrd. US-Dollar reduziert werden. Fällig werdende Wertpapiere werden zudem nicht mehr neu angelegt. Die Fed könnte das monatliche Abbauvolumen zukünftig erhöhen, reduzieren oder gar ganz einstellen, je nachdem, wie sich Inflation und Konjunktur entwickeln. Diese Flexibilität räumen sich die US-Währungshüter dem Protokoll zufolge ein. Und Sorgen, dass der Fed schnell die Anleihen ausgehen werden, muss man sich auch nicht machen. Immerhin hatten die US-Währungshüter nach Ausbruch der Corona-Pandemie Wertpapiere im Umfang von rund 4.6 Billionen US-Dollar gekauft. Seit dem Jahr 2009 beläuft sich das Volumen sogar auf knapp 8 Billionen US-Dollar.

Betritt die Fed damit Neuland?

Nein, die Fed hatte schon einmal daran gedacht, ihre enorme Bilanzsumme zu reduzieren. Das war im Oktober 2017. Zunächst wurde mit einer monatlichen Reduktion im Umfang von 10 Mrd. US-Dollar begonnen. Der Betrag wurde dann schrittweise um jeweils 10 Mrd. erhöht, bis das Volumen monatlich 50 Mrd. erreichte. Der Vorgang endete schliesslich im September 2019. Die Fed hatte ihre Ziele zumindest für den Moment erreicht. Die Inflationsraten bewegten sich wieder unter der Zielmarke von 2 %. Wichtige Konjunkturvorlaufindikatoren trübten sich merklich ein, sodass auch von wirtschaftlicher Seite keinerlei Gefahren einer Überhitzung auszumachen waren.

Was bedeutet der Liquiditätsentzug für den Geldmarkt?

Die Phase zwischen 2017 und 2019 zeigte: Mit steigendem Verkaufsvolumen kam es zu zunehmenden Verspannungen an den Geldmärkten. Ablesbar ist dies an der Zinsdifferenz zwischen ungesicherten und besicherten kurzfristigen Krediten unter Banken. Während diese Kennzahl üblicherweise Ausdruck von Bonitätssorgen im Bankensektor ist, war sie damals auf die Bilanzsummenreduktion der Fed zurückzuführen. Wird dem Markt Liquidität entzogen, bleibt dies nicht folgenlos für die Geldmärkte. Es ist erneut davon auszugehen, dass es an den Interbankenmärkten kurzzeitig zu höheren Risikoaufschlägen ungesicherter Geldausleihungen kommen wird. Um Liquiditätsengpässe adressieren zu können, hat die Fed jedoch zwischenzeitlich neue Hilfsmittel eingeführt.

Welche Auswirkungen sind auf die Zinsentwicklung zu erwarten?

Auch hier lohnt sich ein Blick zurück. Die Zinserhöhungen der Fed und die Bilanzsummenreduktion hatten zunächst im Zeitraum 2016 bis 2018 im Bereich 10-jähriger USRenditen zu einem Renditeanstieg von rund 170 Basispunkten geführt. Als dann an den Finanzmärkten deutlich wurde, dass die straffere Geldpolitik zu einer Abkühlung der US-Wirtschaft führen würde, wechselten langlaufende US-Renditen wieder in den Rückwärtsgang. Der zuvor über drei Jahre stattgefundene Renditeanstieg wurde innerhalb eines Jahres rückgängig gemacht. Notierten 10- jährige Treasuries zu Jahresbeginn 2019 noch im Bereich von 3.20 %, waren es zum Jahresende noch 1.50 %. Das könnte sich in ähnlicher Form wieder abspielen, sollten die wirtschaftlichen Risiken stärker in den Vordergrund rücken. Aufgrund dessen haben wir nach dem starken Renditeanstieg unser beträchtliches taktisches Untergewicht bei Staatsanleihen in der April-Sitzung des Anlagekomitees reduziert.

Mutiert der US-Dollar nun zum Kraftprotz?

Aus dem letzten geldpolitischen Straffungszyklus der Fed lässt sich keine einheitliche Tendenz für den US-Dollar ableiten. Mit Beginn des Bilanzsummenabbaus wertete der Greenback sogar nochmals kräftig ab. In den ersten Monaten des Jahres 2018 notierte der Euro gegenüber dem Dollar bei Niveaus von 1.25. Erst als die Fed ihren Bilanzsummenabbau beschleunigte und die Leitzinsen gegenüber anderen grossen Notenbanken deutlich stiegen, vollzog die US-Valuta eine Rallye. Die Kursgewinne starteten allerdings bei Niveaus, bei denen der Dollar fair bis sogar günstig bewertet war. Heute ist die Währung bereits teuer bewertet und im Gegensatz zur letzten geldpolitischen Straffungsphase kommen auch die anderen Notenbanken unter Zugzwang, jetzt ihre Geldpolitik ändern zu müssen. Aus diesem Blickwinkel lässt sich also keineswegs eine weitere Dollar-Stärke ableiten.

Wie wirkt sich die geldpolitische Straffung auf Aktien aus?

Höhere Kapitalkosten sowie Liquiditätsentzug führen zu tieferen Bewertungen an den Aktienmärkten. Ausserdem kann es in Phasen, in denen die Geldpolitik neu ausgerichtet wird, immer wieder zu einem Anstieg der Volatilität kommen. Dies trifft besonders Wachstumsaktien, den Kommunikations-Sektor und Unternehmen mit schlechten Bilanzen. Das liess sich in den letzten Wochen bereits beobachten. Aus unserer Sicht ist eine defensive Positionierung ratsam. Im Portfoliokontext sind wir deshalb taktisch untergewichtet und setzen unter anderem auf den Minimum-Varianz-Ansatz. Zudem sehen wir Unternehmen mit planbaren Geldflüssen, solidem Bilanzmanagement und stabilen Dividenden im Vorteil. Substanzwerte und kleinkapitalisierte Unternehmen (Small-Caps) schnitten in der Vergangenheit im Schnitt relativ betrachtet besser ab als der Gesamtmarkt. Bei Small-Caps kann es jedoch immer wieder zu extremen Abweichungen kommen, positiven wie negativen. Aktuell erscheinen diese aus unserer Sicht nicht aussichtsreicher als der Gesamtmarkt.

Wie sieht es für Unternehmensanleihen aus?

Unternehmensanleihen haben von der Ausweitung der Notenbankbilanzen gleich doppelt profitiert. Erstens durch die fallenden risikofreien Renditen und zweitens durch die ausgelöste Suche nach mehr Rendite. Damit sind die Kreditaufschläge weit unter das Niveau gefallen, das auf einem freien Markt erzielt worden wäre. Bei einer Straffung der Geldpolitik sind Unternehmensanleihen damit stärker betroffen als Staatsanleihen. Erschwerend kommt der hohe Leverage hinzu – seit der Finanzkrise 2007 haben sich die Unternehmensschulden in den USA mehr als verdoppelt. Steigende Zinsen und Kreditaufschläge schmerzen damit umso mehr. Durch die Verzerrung der Kreditpreise dürfte es auch zu Fehlallokationen gekommen sein. Unternehmen, die zu Marktpreisen keine Kredite erhalten hätten, dürften in einem adversen Umfeld als erstes ins Wanken geraten.

Wie schlägt sich Gold?

Gold wirft keine laufende Rendite ab. Steigen die Zinsen, nehmen die Opportunitätskosten zu. Das würde aktuell eigentlich gegen Gold sprechen. Der Goldpreis hat in der Vergangenheit jedoch in den Monaten nach der ersten Zinserhöhung der Fed im Durchschnitt deutlich besser abgeschnitten als der amerikanische Aktienmarkt. Dies traf auch für den letzten Zinsanhebungszyklus in den Jahren 2017 und 2018 zu. Trotz zunehmendem Gegenwind von steigendenden Zinserwartungen, höherem Realzins und stärkerem US-Dollar erwies sich der Goldpreis auch in den letzten Monaten resilient. Das bestärkt uns in unserer Einschätzung, dass Gold ein wichtiger Baustein für die Portfoliokonstruktion darstellt. Gerade in Zeiten, in denen die Unsicherheit an den Finanzmärkten besonders ausgeprägt ist.

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